Heute bin ich zu einer Geburtstagsfeier in Berlin eingeladen, und bei der Gelegenheit habe ich mich zu ED nach Ingolstadt eingeladen, um mir seine Vorserien-Pandora anzusehen. Ingolstadt liegt bekanntlich nicht gerade am Weg zwischen Karlsruhe und Berlin, aber ich dachte mir, ein früher Blick auf die Pandora rechtfertigt die dreieinhalb Stündchen und 500 km Umweg.
Ich zog also ziemlich früh los; ich musste um 5:30 Uhr und nach vier Stunden Schlaf aufstehen. Die Zugfahrt war so schön, wie ich mir die Pandora erhoffte; das ganze Land liegt unter frisch gefallenem Schnee, die Sonne schien, das Wetter war freundlich (und saukalt). Je näher der Zug meinem Ziel kam, umso nervöser wurde ich. War die Pandora wohl wirklich so gut, wie sie von den Devs immer beschrieben wurde (Tag auch, Craig)? Ich hoffte es jedenfalls; allein schon, um sie meinen Dödelfreunden unter die Nase reiben zu können, die noch immer von Vapourware lallen.
Meines Wissens bin ich der erste "gewöhnliche" Kunde (also keiner der Developer), der einen Vorabbericht über die Pandora schreibt. Lasset uns also zum Thema kommen.
Man merke:
-- Ich hatte das Vergnügen, ein Vorseriengerät mit zwei verschiedenen nightly builds der Software testen zu können. Ich bespreche also hier nicht das, was an Endkunden geliefert wird. --
-- Deutscher schreibt Englisch. Bitte nachfragen wo du Problem. --
-- Erwartet hier keine spektakulären Neuigkeiten. Der Entwicklungsprozess der Pandora war so offen, dass jetzt keine Geheimnisse mehr ans Licht kommen. --
-- All dies ist meine persönliche Meinung. Ich bin nicht beteiligt an irgendwelchen pandorabezogenen Websites, Zeitschriften oder Handheld-Entwicklungs-GmbHs. --
-- NES und SNES sind der Famicom bzw. Super Famicom. Wie die Teile in den USA heissen, weiss ich nicht. --
Zuerst einmal: Im richtigen Leben ist Evil Dragon -- genau wie online -- ein rasend freundlicher Mensch. Noch einmal allen Dank für die Einladung zu dir nach Hause. Mir hat's grossen Spass gemacht.
Nun, was kann man über die Pandora sagen? Sie ist umwerfend. Ehrlich. ED und craigix sind völlig im Recht, wenn sie sagen, dass dieses Teil rockt.
Äusseres
Es ist das Vorserienmodell, also dasselbe, das man in den neuesten Photos und Videos von ED sieht. Es ist unbedruckt, und die Oberflächenveredlung ist noch nicht so ganz edel. Trotzdem sieht es schon jetzt sehr gut aus. Einiges bleibt noch nachzubessern: das Shrinking, die linke Seite des Batteriefachs, transparente LED-Deckel und die Schultertasten. Nichts neues also, aber ehrlich gesagt ist es im normalen Betrieb nicht leicht, diese Dinge überhaupt zu bemerken (ausser den Schultertasten). Das Shrinking und das Problem mit dem Batteriefach kann man von blossem Auge erkennen, wenn man genau hinsieht, aber das Problem mit der Diodenabdeckung braucht schon ein Vergrösserungsglas.
Zu den Schultertasten: Sie sind OK, so wie sie sind, und ich nehme an, an anderen Geräten wäre man für den jetztigen Stand der Pandora schon dankbar. Ich konnte auch einen Blick auf den weissen Gehäuseprototypen werfen, und dort waren die Schultertasten noch besser (einfach nicht fragen. Sowas geschieht eben in China.), und wir bekommen in der endgültigen Gehäuseversion auch bessere. Die Leuchtdioden sind schön und erinnern mich an ältere Thinkpads, wo man auch bei offenem wie geschlossenem Deckel dieselben LEDs sehen kann. Geschlossen ist das Gerät etwas klobig im Vergleich mit anderen aktuellen Produkten. Aber diese anderen Produkte sind meist gleich kleiner als die Batterie von unserem Schätzchen, d.h. konnst nix mochn. Der Pandora-Würfel auf dem Deckel lässt einen die Konsole von klappbaren Handhelds aus Japan unterscheiden.
Verarbeitung
Sehr angenehm. Wirklich. Besonders der untere Teil fühlt sich sehr solide an. Ich habe daran herumgedrückt, aber das Gehäuse hat sich nicht verbogen. Auch das Batteriefach macht einen sehr stabilen Eindruck. Ich und ED haben es mehrmals auf- und zugemacht, also deutlich öfter, als man normalerweise in einem Monat mit dem Batteriefach fummeln würde, und es fühlt sich an, als könnte man dasselbe noch eine Million mal weitertreiben, ohne dass etwas bricht. Das D-pad, die ABXY und die Tastatur sind sehr gut verarbeitet, das Ganze wirkt durchaus wie ein Gerät, das auch von einer viel grösseren Firma kommen könnte.
Ein Punkt zum Deckel, den ich nicht kannte (ich verfolge offizielle und inoffizielle Blogs, lese aber nicht jedes letzte Wort in den Foren): Das Scharnier hat nicht so viel Reibung, dass man die Pandora BEIM RUMGEHEN ODER HÜPFEN benutzen könnte, wenn der Bildschirm nicht ganz nach hinten geklappt ist. DAS IST JETZT WICHTIG, UND ICH KOMME ZU EUCH NACH HAUSE UND KLOPFE EUCH IN DIE ZÄHNE WENN IHR DARÜBER POSTET OHNE DEN NÄCHSTEN ABSCHNITT ZEHN MAL GELESEN ZU HABEN.
Ergonomie und Benutzung
Ich hoffe, ihr lest alle trotz des letzten Abschnitts noch weiter. Wichtig ist: Wer die Pandora als Handheld benutzt, WIRD den Bildschirm bis zum Einrasten nach hinten klappen. Es ist einfach die bequemste Position. Wer nicht irgendwie verkrüppelte Hände hat, wird das so machen, glaubt's mir. Wenn man sich nicht bewegt, kann man den Deckel auch in einer beliebigen anderen Position lassen, aber wenn man damit herumgeht oder springt, dann schnellt der Deckel entweder ganz zu oder ganz auf. Ich kann mir aber keine Situation vorstellen, in der man sich mit unbequem halb geöffneter Pandora bewegen würde, deshalb ist das Ganze auch kein Problem. Der einzige Moment, in dem man die Pandora halb offen benutzen würde ist, wenn man sie auf den Tisch abstellt um z.B. ein Video zu sehen; und das funktioniert auch problemlos.
Ich hoffe, das Thema ist damit erledigt. Das war das einzige, was mir neu war, und es stört mich kein Bisschen, aber ich dachte, ich erwähn's. Und vergesst mir nicht den letzten Absatz unter "Verarbeitung"!
Die Tastatur
... ist grossartig. Die Tasten sind wirklich gross für einen Handheld, so dass auch mit dicken Daumen oder beim Tippen im angetrunkenen Zustand kein Problem entsteht. Mit den Daumen tippen geht gut. Ich habe nicht gerade grosse Hände, so etwas unter dem Durschnitt würde ich sagen, und ich habe alles mühelos erreicht. Sogar ein grosses S, bei dem man links die Umschalttaste drückt und den rechten Daumen quer über die Tastatur streckt, um das S zu erreichen, geht leicht. Ja, auch ohne Sticky Keys (funktioniert im gegenwärtigen Betriebssystem-Build nicht). Ich habe sogar etwas vim benutzt (ich bin Linux-Administrator und habe vor, die Pandora mit ssh einzusetzen) und ich glaube, mit etwas Übung wird auch das funktionieren. Ich merkte, wie sich meine Tippgeschwindigkeit steigerte (und ich war nur 2 Stunden bei ED), und ich bin zuversichtlich, dass man mit etwas Erfahrung sehr schnell darauf tippen kann. ED war natürlich schon schneller als ich. Es ist andererseits natürlich keine Tastatur in voller Grösse, und es wird wohl niemand darauf einen Roman schreiben. Aber für den Alltagseinsatz, IM, Surfen, Forenbeiträge, Blogs, Twitter und so ist sie völlig in Ordnung.
Das D-Pad
Zuerst die traurige Nachricht: Auf den verfügbaren Software-Builds gab es noch keine Spiele oder Emulatoren, mit der man diese Komponente so recht hätte testen können. Damit meine ich Spiele, die ich bereits gut kenne und einigermassen spielen kann, so wie Contra III, SMB 1-3, SMB World, Street Fighter und ein Paar andere. Evil Dragon und die übrigen Devs haben zur Zeit halt anderes zu tun, als mir die Emulatoren für XFCE anzupassen, so dass ich über das D-Pad keine fundierte Meinung abgeben kann. Ich habe aber ein Bisschen Supertux und Doom angespielt, und ich kann sagen: das D-Pad macht einen sehr guten ersten Eindruck. Wirklich. Ich habe zu meinen Zeiten viel NES und SNES gespielt, dazu etwas Xbox 360, Dreamcast, PS1 und PS2, und ich kann sagen, dass das Pad der Pandora extrem bequem rüberkommt. Supertux und Doom benutzen keine Diagonalen, so dass ich da nichts nachprüfen konnte, aber ich konnte diese Richtungen _fühlen_. Wenn man damit in beat-em-ups keine langen Combos schafft, dann ess' ich Broccoli.
ABXY
Sie funktionieren. Sie fühlen sich gut an und funktionieren. Man fühlt deutlich, wann die Taste gedrückt ist und wann nicht. Ich kann nicht viel darüber sagen, ich kann mir einfach nicht vorstellen, was man daran anders machen sollte.
Analoge Steuerung
Es gab kein Spiel zum Testen, aber sie fühlen sich sehr angenehm an. Wenn sie auch so gut funktionieren und die Software sie richtig nutzt, dann haben wir hier die besten Analogeingabegeräte, die es an einem Handheld gibt (ja, PSP, mein strenger Blick gilt dir). Aber ich kann nicht wirklich etwas darüber sagen.
Schultertasten
Wie ihr schon wisst, brauchen sie noch Korrekturen. Es sind Digitalschalter, und ich vermute, wenn die Distanz zum Klick noch verringert wird, kommen sie gut.
Touchscreen
Ich habe nicht vor, den Touchscreen gross zu nutzen, so wie ich auch an grossen Computern nicht viel mit der Maus arbeite. Man kann bei ausreichend grossen Buttons den Touchscreen mit den Fingern bedienen. Der Bildschirm ist angenehm und matt, so dass sich das Fingerschmieren in Grenzen hält und man ihn nicht gleich nach jeder Verwendung abwischen muss. Funktion ist wie erwartet, lang clicken ist als Rechtsklick konfiguriert. Ich gehe nicht davon aus, dass ich je den Stylus und die Eingabegeräte am Gehäuse (Tastatur, buttons und pads) gleichzeitig benutzen werde. Mit dem D-Pad als Cursorpfeiltasten und vielleicht sogar den Analogkontrollen als Mausersatz wird man den Touchscreen wohl nur bei mäuselastigen (das ist ja mal ein seltenes Wort) Anwendungen brauchen. Ich kann mich irren, wie gesagt vermeide ich die Maus ohnehin gerne. Der Bildschirm selbst sieht gut aus. Hohe Auflösung, hell, guter Einsichtwinkel. Ein OLED hätte mehr Kontrast, geschenkt, aber jedenfalls gut.
Lautsprecher
Wie winzige Lautsprecher eben sind. OK für Spielsound, nicht gerade laut, laut genug für mich. Kein HiFi ...
Kopfhörerausgang
Hört sich sehr gut an. Ich hatte nur meine Koss Porta-Pros zum testen dabei, war aber sehr zufrieden. Ganz aufgedreht wurde es mir klar zu laut. Das muss wohl reichen ...
TV-Out
Nicht getestet, aber ich habe das Kabel gesehen. Hübsche Pandora-Logos drauf..
SD-Slots
... funktionieren just wie jeder andere SD-Kartenleser auf diesem unseren Planeten.
Lautstärkeregler
Ein echtes Hardwarerädchen. Gefällt mir gut, und ich glaube nicht, dass man es versehentlich in der Tasche verstellt.
Batteriewechsel
Wird wohl selten genug vorkommen, ausser die Pandora muss einen ganzen Tag laufen, ohne dass sie an einer Steckdose vorbeikommt. Es geht ganz gut. Die Batterie ist nicht schwer, da hatte ich mehr erwartet. Sieht dank dem Pandora-Logo cool aus.
Gesamteindruck
Ich habe mir überlegt, sie zu klauen.
Sie passt gut in meine vorderen Hosentaschen und ist viel zu klein für die Beinseitentasche meiner Cargo-Hose. Die abgerundeten Kanten der Oberseite sind tascheneinsteckfördernd. Wer nicht gerade knallenge Hosen bevorzugt, kann die Pandora wirklich in der Tasche herumtragen. Ich musste sie immer und immer wieder berühren. Als ich das Design zum ersten Mal sah (vor gefühlten 20 Jahren) glaubte ich nicht, dass es besonders bequem sein würde. Aber jetzt kann ich mir höchstens vorstellen, dass motorisch Unbegabte mit überbreiten Daumen so ein Mal im Jahr gleichzeitig zwei der ABXY-Tasten treffen (sie liegen etwas näher beieinander als beim SNES). Ihr werdet überrascht und überwältigt sein.
Software
Wie schon beschrieben habe ich ein Paar nightly builds des Betriebssystems mit XFCE als Desktopmanager getestet. XFCE läuft wirklich schnell, ich würde sagen ähnlich schnell wie Gnome auf meinem Thinkpad x200s mit 1.86 GHz Dualcore-Prozessor und 2 GB RAM. Es reagiert sofort. Mit dem WiFi konnte ich nicht experimentieren weil einer der Devs (sorry, habe deinen Namen vergessen) gerade daran arbeitet, so dass die Nightlies einen halbfertigen Treiber enthalten. Dasselbe gilt für PMenu. Ich habe die automagische .PND-Verarbeitung gesehen und finde das eine sehr schlaue Methode zum Umgang mit Software auf einem Gerät, das vor allem mit entfernbaren Speichern arbeitet. Das geht sehr schnell auch mit der extralangsamen Karte, die ED verwendete. Die Icons erscheinen sofort auf dem Desktop. XFCE sah noch nicht sehr sexy aus, aber wenn einmal das Volk die Pandora in den Händen hält, ändern wir das, Genossen. Ich habe die ersten zwei Levels von Doom gespielt, und schon ohne angepasste Steuerung fand ich's toll. Quake läuft zur Zeit nur mit dem Framebuffer, aber die Steuerungseinrichtung bei Q1 und Q2 ist ähnlich. Mit etwas Übung wird man sich mit Leuten an einer gewöhnlichen Tastatur messen können. Ich weiss ja, dass in den Youtube-Videos von FPS auf der Pandora die Spieler eher alt aussehen, aber die haben entweder wenig Ahnung von FPS oder müssen mit einer Hand noch die Kamera festhalten oder ähnlich. Supertux war OK, aber ich mag das Spiel nicht besonders. Die Shell auf so einem kleinen Gerät war recht cool. Mit dem richtigen Tastatur-Setup wird man die Shell richtig gut verwenden können. Viel mehr gibt's noch nicht auf der Software-Seite, aber es wird hart daran gearbeitet, und wenn die Pandora ausgeliefert wird und plötzlich über hundert statt zehn Devs ein eigenes Gerät haben, wird es viel zu sehen geben.
Abschlusserklärung
Mein Fazit zur Pandora: OMFG!!!! Das ist dem coolsten wo gibt! Die Pandora ist jeden Cent wert, jede Sekunde des Wartens, und überhaupt alles. Wer seine geliefert bekommt, wird Luftsprünge machen. Er wird sie mit den coolsten Homebrews und Emulatoren der Welt füttern. Er wird coole Spiele der 80er und 90er unterwegs spielen, mit Steuergeräten, die gleich gut oder besser sind als die Originale. Die Pandora ist immer noch einzigartig, und ich kann nicht recht glauben, dass die Zukunft irgend etwas auch nur entfernt vergleichbares bringen wird.
Dank an ED für die Einladung, das Erlebnis, die interessanten Informationen, die interessanten Bilder (die sicher irgendwann auch noch veröffentlicht werden), die Büroführung und all das. Ich hoffe, wir sehen uns wieder einmal! Dank auch an alle anderen Devs für die riesige Arbeit, die dahinter steht. Soweit ich die Sache überblicke, habt ihr alles richtig gemacht.
